Tinkercad Teil 2: Präzise konstruieren mit Workplane, Ausrichten, Spiegeln & Bohrungen
Heute geht’s ans präzise Arbeiten: Du setzt die Workplane dort, wo neue Formen wirklich hinmüssen, misst mit dem Ruler millimetergenau, richtest sauber aus, spiegelst symmetrisch und erzeugst Bohrungen stabil über Hole. Am Ende baust du ein Steckkästchen mit Deckel – inkl. Toleranzen für den FFF-Druck und einem klaren Workflow bis zum STL-Export.
1) Grundlagen – warum Präzision schon im CAD entscheidet
Je genauer dein CAD-Modell, desto weniger Flickwerk im Slicer. Bohrungen, Zentren und Symmetrieachsen entstehen in Tinkercad durch sauberes Ausrichten und exakte Maße. Die Workplane ist dabei dein bester Freund: Setzt du sie auf die richtige Fläche, landen neue Teile exakt dort. So vermeidest Schiefstände und Maßfehler, die später im Druck als Klemmen, Spiel oder Schiefzug sichtbar werden.
2) Workplane richtig setzen – der Millimeter-Hack
Klick auf die Workplane-Kachel und dann auf die Zieloberfläche (z. B. die Deckeloberseite). Jede neue Form wird jetzt plan auf dieser Fläche abgelegt. So entstehen Bohrungen, Nuten oder Reliefs genau dort, wo du sie brauchst – ohne schiefe Z-Werte. Stell das Raster (Snap) unten rechts auf 1,0 mm für den Einstieg; für Feinarbeit 0,5 mm oder 0,25 mm.
Der Ruler zeigt dir Position (X/Y/Z), Größe (B/T/H) und Abstände. Werte einfach eintippen, Enter drücken – Tinkercad setzt exakt. Für Bohrungen gilt: Lage zuerst mit Ausrichten fixieren, dann gruppieren.
3) Ausrichten, Spiegeln & Hole – das Präzisions-Trio
Ausrichten: Markiere zwei oder mehr Objekte → A → die schwarzen Punkte sind Ausrichtachsen. Wähle Mitte in X/Y, um z. B. ein Loch exakt zu zentrieren. Spiegeln: Perfekt für symmetrische Bauteile (Griffe, Rippen). Nutze M und wähle die richtige Spiegelachse. Hole: Mach aus einer Form (z. B. Zylinder) eine Aussparung. Nach dem Ausrichten mit dem Solid gruppieren (G), damit die Bohrung „geschnitten“ wird.
4) Praxis-Setup & Startwerte (kompakt)
Bereich | Empfehlung | Warum es hilft |
---|---|---|
Raster (Snap) | 1,0 mm (grobe Geometrie) • 0,25–0,5 mm (Passungen) | Grob platzieren, dann feinmaßlich korrigieren – schneller & sauberer |
Ruler | Immer aktiv bei Präzision | Direktes Eintippen verhindert Rundungsfehler vom Schieben/Skalieren |
Ausrichten | Vor dem Gruppieren nutzen | Loch/Feature sitzt zentriert – keine „eiförmigen“ Reste nach dem Schnitt |
Toleranzen | 0,2–0,4 mm Spiel (0,4er Düse) | Steckteile passen; Material/Shrink je nach Filament einkalkulieren |
5) Schritt-für-Schritt-Projekt: Steckkästchen mit Deckel
Ziel: ein kleines Kästchen (Außen 60×40×20 mm) mit eingepasstem Deckel. Du lernst Aushöhlen per Hole, Workplane-Tricks, Ausrichten, Spiegeln und Toleranzen.
- Boden modellieren: Quader 60×40×20 mm (Solid). Position mit Ruler auf (0/0/0) fixieren.
- Innen aushöhlen: Quader als Hole auf 56×36×18 mm, mittig ausrichten (X/Y), Z-Versatz so, dass 1 mm Boden stehen bleibt. Beide Objekte markieren → G.
- Deckel planen: Platte 62×42×3 mm (Solid). Diese Überstände (+1 mm je Seite) schützen die Kanten.
- Lippe konstruieren: Quader 60×40×2 mm (Solid) genau mittig auf die Plattenunterseite ausrichten. Workplane auf die Unterseite setzen, Lippe platzieren, dann zurück zur Haupt-Workplane wechseln.
- Toleranzen einbauen: Zwischen Lippe und Innenmaß des Kästchens 0,2–0,4 mm Spiel rundum. Praxis: Lippe im Außenmaß 59,6–59,8×39,6–39,8 mm planen (statt 60×40). Prüfe das im Ruler numerisch.
- Bohrungen/Griffe: Für einen Griff zwei Zylinder (Solid) spiegeln oder einen Griffblock formen. Optional: kleine Hole-Zylinder (Ø 3 mm) für Schrauben einsetzen; vorher mittig ausrichten.
- Kanten entschärfen: Scharfe Innenkanten erzeugen Stressspitzen – kleine Fasen/Fillets (mit Zusatzformen) sorgen für angenehme Haptik und Stabilität.
- Export: Boden und Deckel separat markieren → Export → STL (zwei Dateien).
5.1 Druck-Orientierung & Slicer-Hinweise
Boden: Öffnung nach oben, damit keine Stützen im Innenraum nötig sind. Deckel: Sichtseite nach oben für saubere Top-Layer. Wandstärke ≥ 2× Düsendurchmesser (z. B. 0,8–1,2 mm bei 0,4er Düse), 3 Perimeter sind für Kästchen stabil. Infill 15–30 % reicht meist. First-Layer langsam – Haftung hängt von der Oberfläche ab: Druckbett-Oberflächen prüfen, ggf. Haftmittel verwenden und regelmäßig reinigen. Für Reproduzierbarkeit helfen die Kalibrier-STLs.
6) Pro-Tipps & Feinjustage
- Symmetrie first: Baue Features nur einmal und spiegle sie – das verhindert Mikroabweichungen.
- Ausrichten vor Gruppieren: Erst Zentren setzen (X/Y/Z), dann schneiden (Hole + Solid). So entstehen absolut zylindrische Bohrungen ohne „Eierformen“.
- Ruler dauerhaft an: Kleine Maß-Edits sind präziser per Eingabe als per Greifer.
- Spiel testen: Drucke Lippe/Innenmaß als kleines Test-U-Profil (5–10 min). Passe in 0,1–0,2 mm-Schritten an.
- Materialdenken: PLA schrumpft gering, PETG minimal mehr, ASA benötigt ruhige Umgebung, TPU ist flexibel → plane mehr Spiel.
7) Troubleshooting kompakt
Problem | Ursache | Fix |
---|---|---|
Lippe klemmt im Kästchen | Spiel zu klein, Material schrumpft/quetscht | Spiel +0,2 mm erhöhen; Test-U drucken; ggf. Düsentemp minimal senken |
Bohrung nicht mittig | Vor Gruppieren nicht ausgerichtet | Beide Teile markieren → A → Mitte in X/Y setzen → dann gruppieren |
Deckel wackelt | Zu viel Spiel oder Top-Layer uneben | Spiel −0,1–0,2 mm; Top-Layer mehr Linien/Überlappung; First-Layer checken |
Kanten brechen | Scharfe Innenradien, zu wenig Perimeter | Fillets/Fasen hinzufügen; 3–4 Perimeter; Infill auf 25–35 % |
8) Wartung & Best Practices
Halte deine Workflows schlank: Eigene Vorlagen für Kästchen/Deckel anlegen, Versionen sauber benennen, Toleranzen notieren und je Material gesondert speichern. Im Druckalltag lohnen sich regelmäßige First-Layer-Checks (Haftung, Z-Offset) und eine fettfreie Platte: Reinigung. Unterschiedliche Oberflächen (Druckbett-Auflagen) ergeben unterschiedliche Unterseiten – wähle, was zur Anwendung passt. Bei heiklen Geometrien helfen Haftmittel.
9) CTAs – direkt weiterbauen & sicher drucken
10) FAQ
Wie groß sollte das Spiel bei Steckpassungen sein?
Bewährt: 0,2–0,4 mm rundum bei 0,4er Düse. Materialspezifisch testen (PLA weniger, PETG/TPU mehr).
Workplane vergessen – was tun?
Setz die Workplane auf die Zieloberfläche, platziere die neue Form, richte aus, gruppiere – danach Workplane zurücksetzen.
Bohrung franst im Druck aus?
Zu kleine Details, falscher Flow oder zu heiß. Mindestloch Ø ≥ 2× Düsendurchmesser, Flow prüfen, Temp −5 °C testen.
Deckel sitzt schräg?
Ausrichten vor Gruppieren vergessen oder Top-Layer uneben. Zentriere X/Y, prüfe First-Layer & Top-Layer im Slicer.
Wie spiegle ich exakt?
Teil markieren → M → Achse wählen. Danach mit A ausrichten, damit beide Seiten exakt decken.
Veröffentlicht: 28.03.2025 | Kategorie: Tinkercad | Tags: Tinkercad, Workplane, Ausrichten, Spiegeln, Bohrungen, Ruler