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Welche Extrudertypen gibt es im 3D Druck und wo liegen die jeweiligen Vor- und Nachteile.

Druckzeug.de
2023-01-25 15:47:00 / Tips rund um deinen 3D Druck / Kommentare 0

Extrudertypen im 3D-Druck: Vor- & Nachteile von Direct Drive, Bowden, Dual-Gear & Planetengetrieben

Extruder = der „Filament-Feeder“. Er greift das Filament, dosiert den Fluss und schiebt es ins Hotend. Unterschiedliche Bauarten verhalten sich spürbar anders – bei Retract, Flexfilament, Geschwindigkeit und Wartung. Hier bekommst du einen ehrlichen Überblick, Startwerte und einen Workflow, der dich schnell zu sauberen Ergebnissen bringt.

Warum der Extruder so wichtig ist

Der Extruder bestimmt, wann und wieviel Material an der Düse ankommt. Er beeinflusst Oberflächen, Stringing, Eckenpräzision, Stützstrukturen und speziell den Druck mit weichen Materialien (TPU/TPE). Kurz: Ein passender Extruder spart dir Tuning-Zeit – ein unpassender kostet sie.

Die gängigen Extrudertypen im Überblick

  • Direct Drive Motor sitzt direkt am Hotend. Sehr kurze Filamentstrecke, starke Retract-Kontrolle, top für TPU.
  • Bowden Motor ist am Rahmen montiert; Filament läuft durch PTFE-Schlauch. Leichter Druckkopf, hohe Travel-Geschwindigkeiten möglich, aber mehr Spiel.
  • Single-Gear Eine angetriebene Rändelrolle + Andruckrolle (Idler). Einfach, günstig, weniger Grip.
  • Dual-Gear Zwei angetriebene Zahnräder klemmen das Filament beidseitig. Mehr Traktion, konstanter Fluss, weniger „Grind“.
  • Planeten-/Getriebe-Extruder Getriebe übersetzt Drehzahl zu Drehmoment (z. B. 3:1). Sehr feinfühlig, kräftig, präzise Dosierung.
  • „Flying/Remote“ Zwischenlösung: Extruder per Bowden kurz hinter dem bewegten Kopf entkoppelt, um Masse zu sparen.
Wichtig: „Extruder“ (Förderwerk) ≠ „Hotend“ (Schmelzzone). Beide müssen zusammenpassen – z. B. PTFE-Pfad vs. All-Metal, Düsen-Durchmesser, Temperaturfenster.

Vor- und Nachteile je nach Aufbau

Direct Drive

Pro: Top-Retract-Kontrolle, ideal für TPU/TPE, saubere Start/Stop-Punkte, präzise Layerstarts.
Contra: Mehr Masse am Schlitten → ggf. niedrigere Beschleunigungen; Kabelmanagement sensibler; etwas mehr Pflege (Lubrication/Idler-Check).

Bowden

Pro: Sehr leichter Kopf → hohe Travel-/Accel-Werte; weniger „Ringing“ bei gutem Setup; günstiger Einstieg.
Contra: Mehr kompressible Strecke (PTFE) → höhere Retracts, empfindlicher bei Filamenttoleranzen, TPU nur mit viel Feintuning.

Single- vs. Dual-Gear

Single-Gear: simpel, günstig, aber geringerer Grip; neigt bei harten Filamenten zu Schlupf.
Dual-Gear: sehr konstanter Vorschub, stabilere Extrusion bei Retracts und Speed-Sprünge; i. d. R. die bessere Wahl.

Planeten-/Getriebe-Extruder (z. B. 3:1)

Pro: Hoher Vorschubdruck, feine Dosierung, präzise Flow-Kontrolle; super für harte und flexible Filamente.
Contra: Etwas lauter/komplexer, minimal träger; Qualität des Getriebes entscheidet.

„Flying/Remote“-Konzepte

Pro: Kompromiss: Weniger Masse am Kopf als Direct, kürzerer Filamentpfad als Bowden.
Contra: Mechanisch/bauraumtechnisch anspruchsvoller; Tuning-Aufwand.

Empfohlene Startwerte (Schnell zum Testdruck)

Extrudertyp Retract-Länge Retract-Geschw. Start-Speed (Perimeter) Hinweis
Direct + Dual-Gear 0,4–1,2 mm 20–35 mm/s 40–60 mm/s Sehr konstante Dosierung; ideal für TPU: Retract 0–0,6 mm testen.
Direct + Single-Gear 0,8–1,8 mm 15–30 mm/s 35–55 mm/s Idler-Druck sauber einstellen, sonst Schlupf/Grinding.
Bowden + Dual-Gear 3,5–6,0 mm 25–45 mm/s 45–70 mm/s PTFE-Spiel kompensieren; Pressure/Linear Advance lohnt sich.
Bowden + Single-Gear 4,0–7,0 mm 20–40 mm/s 40–65 mm/s TPU nur sehr langsam + enger Pfad; sonst Direct erwägen.
Getriebe-Extruder (≈3:1) 0,6–1,6 mm 15–30 mm/s 40–65 mm/s Sehr präzise; E-Steps/Flow sorgfältig kalibrieren.
„Flying/Remote“ 1,5–3,0 mm 20–35 mm/s 45–70 mm/s Mechanik gut entlasten; Kabelführung checken.

Orientierungswerte für 0,4-mm Düse, PLA/PETG. Passe ±0,2–0,4 mm (Retract) bzw. ±5–10 mm/s (Speed) an dein Setup an.

Schritt-für-Schritt-Workflow: So findest du stabile Settings

  1. Mechanik prüfen: Filamentpfad sauber? Zahnradspuren mittig? Idler-Druck so, dass du Filament noch manuell ziehen kannst, ohne zu „hobeln“.
  2. E-Steps kalibrieren: 120 mm extrudieren, gemessenes Filament (z. B. 118 mm) → Steps anpassen: neueSteps = alteSteps × 120/118.
  3. Flow (Extrusionsmultiplikator): Einwand-Wandtest drucken, Wandstärke gegen Soll (z. B. 0,45 mm) messen, Flow in 1–2 %-Schritten justieren.
  4. Retract & Coasting: Mit obigen Startwerten beginnen, Stringing-Turm drucken; Länge in 0,2–0,4-mm-Schritten und Speed in 5-mm/s-Schritten optimieren.
  5. Pressure/Linear Advance: Testlinie drucken und K-Faktor ermitteln; so bekommst du knackige Ecken ohne Überextrusion.
  6. Speed/Accel/Jerk: Schrittweise erhöhen; achte auf Ghosting (Ringing). Bei Direct ggf. etwas konservativer, Bowden kann mehr Travel-Tempo.
  7. Materialwechsel: Für TPU Retract kürzen (0–0,6 mm), Speed runter; für ABS/ASA Hotend-Temp +5–10 °C, Gehäuse/Haftung beachten.

Pro-Tipps & Feinjustage

  • Idler-Feder: Zu wenig Druck = Schlupf; zu viel = „Grind“. Stell so ein, dass die Rändel das Filament greift, aber nicht einsägt.
  • Grip & Zahnräder: Dual-Gear lohnt sich fast immer – konstanter Flow, weniger Artefakte bei Retracts.
  • Kleiner Retract > großer Retract: Erst K-Faktor/Advance sauber einstellen, dann Retract minimal halten.
  • Filamentführung eng: Besonders für TPU einen durchgehend engen Pfad nutzen (Guide/Insert), sonst „Buckle“.
  • Düse & Schmelzzone: Bei mehr Flow (große Layer/Nozzle) ggf. höhere Temperatur oder High-Flow-Hotend.
  • PTFE pflegen: Bowden-Röhre rechtzeitig tauschen; Enden sauber plan schneiden – das spart dir Retract-Chaos.

Troubleshooting (kompakt)

Symptom Mögliche Ursache Fix
Stringing/Fäden Zu wenig Retract; zu heiß; Bowden-Spiel; kein Advance Retract +0,2–0,6 mm; Temp −5 °C; K-Faktor setzen; Travel-Speed rauf
Löcher an Ecken Kein/zu kleiner Advance; falscher Flow K-Faktor ermitteln; Flow ±1–2 % anpassen
Under-Extrusion Zahnrad rutscht; Idler zu locker; Düse teilverstopft Idler nachstellen; Zahnrad reinigen; Cold-Pull/Nozzle check
Grinding (Filament „angekaut“) Idler zu fest; verstopfte Düse; zu hohe Retract-Rate Idler lösen; Düse reinigen; Retract-Speed −5–10 mm/s
TPU staut sich Pfad zu offen; zu hoher Retract; zu schnell Engen Filamentpfad; Retract 0–0,6 mm; Speed 20–30 mm/s
Ringing/Ghosting Zu viel Kopfmasse/Accel; lose Riemen Accel/Jerk reduzieren; Riemenspannung prüfen; leichte Bauteile

Wartung & Best Practices

Reinige Zahnräder regelmäßig (Messingbürste/Compressed Air), prüfe den Idler-Druck, halte den Filamentpfad frei von Abrieb und tausche PTFE-Röhren, wenn die Innenfläche matt oder eingelaufen wirkt. Spüre Filamenttoleranzen nach – eine Mikrometerschraube hilft. Bei Geräuschen aus Getrieben: sparsam fetten (Herstellerhinweise beachten).

Welche Extruder-Kombi passt zu dir?

  • Viel TPU, präzise Details: Direct + Dual-Gear oder Getriebe-Extruder.
  • Hohes Tempo, große Teile: Bowden mit gutem Tuning + Dual-Gear, Pressure Advance aktiv.
  • Allround ohne Drama: Direct + Dual-Gear (0,4-mm Düse, solide Retracts) – sehr stressfrei.

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FAQ

Direct Drive oder Bowden – was ist für Einsteiger einfacher?
Direct Drive. Kürzere Retracts, weniger Spiel, schneller zu guten Ergebnissen. Bowden ist leichter, braucht aber mehr Tuning.
Ist Dual-Gear wirklich ein Upgrade?
Ja, fast immer. Mehr Grip, konstanter Vorschub, weniger „Grind“. Besonders spürbar bei Retracts und harten Filamenten.
Wie stelle ich den Idler-Druck richtig ein?
So fest, dass das Filament sicher mitläuft, aber keine tiefen Spuren bekommt. Bei Schleifspuren etwas lösen.
TPU im Bowden – geht das?
Ja, aber langsam und mit engem Filamentpfad. Retract sehr klein (0–0,6 mm), Speed 20–30 mm/s. Direct ist einfacher.
Was bringt Pressure/Linear Advance?
Es kompensiert Druckaufbau im Hotend. Ecken werden sauberer, Start/Stop präziser, du brauchst weniger Retract.

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